„Narzissten lieben sich selbst so sehr, dass für andere kaum noch Platz bleibt – aber was, wenn du trotzdem versuchst, sie zu retten?“
Einleitung: Die Hoffnung auf Heilung
Wer in einer Beziehung mit einem pathologischen Narzissten lebt, kennt das Wechselbad der Gefühle: Liebe, Bewunderung, Schmerz, Schuld, Hoffnung. Die Frage, die sich Betroffene oft stellen: Kann ich ihm oder ihr helfen? Kann ein Mensch, der so tief in sich selbst gefangen ist, sich jemals wirklich ändern? Und – sollte ich überhaupt versuchen, ihn zu retten?
Dieser Artikel beleuchtet die psychologische und wissenschaftliche Perspektive auf die „Rettung“ eines pathologischen Narzissten – und was das für dich bedeuten kann.
Was ist pathologischer Narzissmus überhaupt?
Narzissmus ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das in verschiedenen Ausprägungen vorkommt. Ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein ist gesund. Doch wenn Narzissmus extreme Züge annimmt, sprechen Psychologen von der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS), klassifiziert im DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders).
Kernmerkmale pathologischen Narzissmus laut DSM-5:
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Übersteigertes Gefühl der eigenen Wichtigkeit
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Mangel an Empathie
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Ausbeuterische Beziehungen
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Bedürfnis nach Bewunderung
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Empfindlichkeit gegenüber Kritik
Wichtig: Es handelt sich um eine tief verwurzelte Persönlichkeitsstörung – keine bloße Charaktereigenschaft oder "schwierige Phase".
Ist ein pathologischer Narzisst überhaupt therapierbar?
Die wissenschaftliche Lage:
Die Forschung ist gespalten – aber nicht hoffnungslos. Es gibt Studien, die zeigen, dass Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung therapierbar sind – allerdings unter sehr spezifischen Bedingungen.
Studien und Erkenntnisse:
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Ronningstam (2005) betont, dass viele Narzissten in Therapie gehen – allerdings meist wegen begleitender Probleme wie Depression, Burnout oder gescheiterter Beziehungen.
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Kealy & Ogrodniczuk (2014) zeigen, dass Therapie bei pathologischem Narzissmus oft schwierig verläuft – wegen mangelnder Einsicht und frühzeitigem Therapieabbruch.
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Dickinson & Pincus (2003) führen an, dass überlebenswichtige Krisen (z. B. Scheidung, Jobverlust) oft der Auslöser für ernsthafte Veränderungsbereitschaft sind.
Fazit der Forschung: Ja, es kann eine positive Veränderung geben – wenn die Person selbst leidet, motiviert ist und professionelle Hilfe annimmt.
Aber kann ich ihn retten?
Das ist die eigentliche, oft verzweifelte Frage: Kannst du als Partnerin oder Partner eine solche Veränderung bewirken?
Kurz gesagt: Nein.
Du kannst unterstützen – aber du kannst niemanden retten, der nicht gerettet werden will. Besonders bei pathologischem Narzissmus gilt:
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Empathie wird ausgenutzt
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Grenzen werden ignoriert
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Deine Identität kann sich auflösen im Versuch, den anderen zu „heilen“
Der Psychoanalytiker Heinz Kohut, bekannt für seine Arbeiten zum Narzissmus, betont die Rolle von „empathischem Spiegeln“ in der Heilung – aber diese Aufgabe liegt beim Therapeuten, nicht beim Partner.
Die emotionale Realität: Warum wir es trotzdem versuchen
Viele Menschen in narzisstischen Beziehungen sind emotional verstrickt. Sie glauben oft, dass der „wahre Mensch“ tief im Inneren verletzt ist – was durchaus stimmen kann.
Doch dieser Heilsversuch ist gefährlich, denn:
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Narzisstische Partner manipulieren mit Liebesbombing, Schuldgefühlen und Schweigen.
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Die Partner verlieren oft ihr Selbstwertgefühl, ihre Freiheit – und in manchen Fällen sogar ihre mentale Gesundheit (Stichwort: narcissistic abuse syndrome).
Ist es also sinnvoll, es zu versuchen?
Nicht, wenn du alleine kämpfst.
Die Entscheidung, ob du bleibst oder gehst, ist zutiefst persönlich – aber sie sollte auf realistischen Erwartungen beruhen.
Drei Leitfragen zur Reflexion:
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Will die Person wirklich Hilfe – oder will sie nur, dass du bleibst?
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Geht es dir in der Beziehung besser oder schlechter mit der Zeit?
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Wie lange willst du noch hoffen, ohne Beweise für Veränderung?
Was du stattdessen tun kannst
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Informiere dich über narzisstische Persönlichkeitsstörungen
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Suche Unterstützung, z. B. durch Selbsthilfegruppen oder Therapie für Angehörige
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Setze klare Grenzen – emotional und physisch
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Erkenne deinen eigenen Wert unabhängig vom Narzissten
Abschließende Gedanken: Heilung ist möglich – aber nicht deine Aufgabe
Ein pathologischer Narzisst kann sich verändern. Doch nur, wenn er selbst die Notwendigkeit erkennt und sich auf den oft langen Weg einer Therapie begibt. Deine Liebe allein reicht nicht.
„Du bist nicht verantwortlich für die Wunden, die du nicht geschlagen hast.“
Wenn du diesen Artikel liest, bist du vielleicht schon zu lange in einer Beziehung, die dich zerstört. Vielleicht glaubst du noch an das Gute in ihm oder ihr – das ist menschlich. Aber manchmal besteht wahre Liebe darin, loszulassen, nicht zu retten.
Quellen und weiterführende Literatur:
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Ronningstam, E. (2005). Identifying and Understanding the Narcissistic Personality. Oxford University Press.
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Kealy, D., & Ogrodniczuk, J. S. (2014). "Pathological narcissism and therapeutic progress". American Journal of Psychotherapy.
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Dickinson, K. A., & Pincus, A. L. (2003). "Interpersonal analysis of grandiose and vulnerable narcissism". Journal of Personality Disorders.
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Kohut, H. (1971). The Analysis of the Self. University of Chicago Press.
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Millon, T., & Davis, R. (1996). Disorders of Personality: DSM-IV and Beyond. Wiley.

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